Sonntag, 6. März 2016

Das Geisterschiff

oder der Fliegende Holländer von Frederick Marryat

Viele kennen den Fliegenden Holländer aus der Geschichte des Gespensterschiffes von Wilhelm Hauff von dem mir wohl das Bild des mit einem Nagel durch den Kopf an den Hauptmast geschlagenen Kapitäns immer in Erinnerung bleiben wird. Vor allem aber ist die Seefahrerlegende durch die pompöse Wagner-Oper unsterblich geworden. Die Geschichte, deren Ursprünge im Dunkeln liegen, wurde seit dem 18. und 19. Jahrhundert vielfach literarisch aufgegriffen. Neben Hauffs und Heinrich Heines Version gehört auch das im deutschen Sprachraum außerordentlich populäre 1839 erschienene Geisterschiff von Frederick Marryat zu Wagners Inspirationsquellen.

Philipp ist der Sohn  des holländischen Kapitäns William Vanderdecken, der beim vergeblichen Versuch, das Kap der Guten Hoffnung zu umrunden einen gotteslästerlichen Fluch ausstieß und zur Strafe bis zum jüngsten Tag die Weltmeere durchkreuzen muss. Erst auf dem Sterbebett offenbart Williams Witwe ihrem Sohn das Schicksal ihres Mannes und bittet ihn, William mithilfe einer Reliquie von seinem Schicksal zu erlösen. Wie und wann das geschehen soll, weiß niemand. Aber immerhin geht es um Bestimmung und Schicksal und Philipp hat einen Schwur am Sterbebett der Mutter geleistet und ist bereit, diesen unter allen Umständen zu erfüllen.

Gespenster und Schicksal

Dabei wird der tapfere Kapitänssohn harten Prüfungen unterzogen. Amine, seine große Liebe und im christlichen Sinne Ungläubige, wird zu seiner Frau, von der er auf der Suche nach seinem Vater die meiste Zeit ihres gemeinsamen Lebens getrennt bleiben muss. Beide leiden heroisch unter dieser  fluchbeladenen Trennung. Philipp muss mehrere Schiffbrüche überleben und immer wieder ist ein geheimnisvoller und offensichtlich unsterblicher Matrose namens Schriften unwillkommener Begleiter des braven Philipp. Ihr Schicksal scheint unauflöslich miteinander verbunden. Auch Amine steht mit höheren Mächten im Bunde und der beste Freund Philipps, der Seemann Krantz, offenbart dem jungen Vanderdecken kurz vor seinem Tod sein eigenes Schicksal, das ebenfalls von finsteren Mächten gesteuert ist.

Schwülstig und heroisch

Es ist kein Geheimnis, dass es Philipp am Ende gelingt, seinen Vater von der ewigen Verdammnis zu retten und dabei selbst zugrunde geht. Es ist eine dramatische Geschichte von Heldenmut, Schicksalsmächten, unglücklicher Liebe, Verzweiflung, Moral und Vorsehung, ganz nach Wagners Geschmack. Der Leser geht mit seinem Held an Bord der Schiffe, erleidet mit ihm Stürme und Schiffbruch, Schicksalsschläge und wird ganz nebenbei noch recht authentisch in die Welt der 17. Jahrhunderts entführt. Und immer wieder erlebt er die Selbstzweifel und fast schon übermenschliche Selbstaufopferung der Protagonisten, ihr Leiden und das Hadern mit Schicksal und Glaube. Schwülstig und heroisch ist der Roman, gelegentlich langatmig und in einem der Stile des 19. Jahrhunderts geschrieben, die dem modernen Leser ebenfalls einiges an Leidensfähigkeit abverlangen.

Ein fesselnder Schmöker

Aber das Buch ist tatsächlich auch das, was der Schriftsteller Karl Heinz Kramberg in seinem Nachwort formuliert, ein Schmöker, eine Abenteuer- und Gespenstergeschichte, bei dessen Lektüre sich nicht die Frage nach literarischer Qualität stellt, weil man einfach trotz „streckenweise pathetisch frömmelndem Leerlaufs“ von der Geschichte gefesselt ist.

Frederick Marryat: Das Geisterschiff oder Der Fliegende Holländer. Unionsverlag 2010. Taschenbuch 446 Seiten.

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