Montag, 9. Oktober 2017

Eisbrecher in Hamburg

1871 entstand nach dem Konzept des Schiffbauingenieurs Carl Ferdinand Steinhaus der erste effiziente Eisbrecher auf einer Hamburger Werft. Anlass war die erhebliche Vereisung der Elbe und im Hamburger Hafen im Winter 1870/71, die den Betrieb des Hafens zum Erliegen brachte. Das 600 PS starke Dampfschiff Eisbrecher No.1 wurde zum Prototyp des deutschen Hafen- und Küsteneisbrechers. Jens Brand stellt den Lesern Geschichte und Einsatz der Hamburger Eisbrecher im Hafen und auf der Elbe von den Anfängen bis heute vor.

Bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts gab es Bemühungen, vereiste Wasserstraßen durch den Einsatz von Dampfschiffen schiffbar zu machen. So wurde bereits 1837 mit speziellen Raddampfern von der amerikanischen Hafenstadt Philadelphia gegen das Eis auf dem Delaware River gekämpft – mit mäßigem Erfolg. Auch gepanzerte Kriegsschiffe waren aber nur wenig effektiv und vor allem wegen ihrer Größe in engen Hafen- oder Flussgewässern nur bedingt einsetzbar. Das Konzept von Steinhaus folgte ganz neuen Überlegungen. So erhielt das Schiff einen parabelförmig auflaufenden Kiel, sodass er sich bei voller Maschinenleistung auf das Eis schob, bis es durch das Gewicht des Schiffes brach. Die Spantenform war so gewählt, dass der Rumpf nicht vom Eis zusammengepresst werden konnte. Für eine gute Manövrierfähigkeit war der Eisbrecher mit einem Breiten-Längen-Verhältnis von 1 : 4 recht kompakt gebaut. Überhaupt galt die Regel, dass möglichst viel Power in möglichst wenig Schiffsgröße gepackt wird und diesem Anspruch wurde das rund 328 BRT große Schiff das knapp 600 PS auf die Schraube brachte, für damalige Zeiten durchaus gerecht.

Eisbekämpfung mit Axt und Säge

Bereits 1895 waren in Deutschland insgesamt 34 Eisbrecher, davon viele nach dem Steinhaus-Konzept unterwegs. 16 dieser Spezialschiffe fuhren auf der Elbe, davon sieben in Hamburger und 9 in Diensten der Elbstromverwaltung. Allein diese Zahlen zeigen, welche Bedeutung der ständigen Befahrbarkeit von Wasserstraßen mit der Industrialisierung zukam. Welchen Durchbruch das Eisbrecherkonzept des Hamburger Ingenieurs in diesem Zusammenhang darstellte, lässt sich bei der Lektüre des Kapitels Die Anfänge des Eisbrechwesens nachvollziehen. Immer wieder entstanden im Hamburger Hafen große Eisschäden an Hafenanlegen, Deichen, Pontons, Dalben oder Brücken. 1839 wurden sogar sämtliche Pfahlwerke durch das Eis zerstört, was den Senat zu verstärkten Anstrengungen bei der Eisbekämpfung veranlasste. Als Werkzeuge standen damals vor allem Sägen, Äxte, Brechstangen, sogenannte Eisewer oder Eisschuten zur Verfügung, letztere wurden von 8 bis 16 Mann auf das Eis gezogen, um es durch das Gewicht der stabilen boots- oder schutenförmigen Schlitten zu brechen. Auch mit Sprengungen versuchte man den Eismassen, insbesondere den sich zu Barrieren auftürmenden Eisschollen beizukommen, allerdings war dieses Verfahren selbst nicht ohne Risiko für die zu schützenden Wasserbauwerke.

Spezialschiffe mit Zusatzaufgaben

Lange waren die ersten Dampfeisbrecher des Hamburger Ingenieurs in Betrieb, Der erste Dampfeisbrecher mit dem Namen Hofe beispielsweise wurde nach seiner Neumotorisierung 1951 erst 1978 stillgelegt, immerhin 100 Jahre nach seiner Indienststellung. Natürlich entwickelten sich die Eisbrecher weiter, neue moderne Antriebskonzepte wurden eingeführt, Verbesserungen getestet und die milderen Winter führten dazu, dass an die Spezialschiffe auch weitere Anforderungen, wie beispielsweise der Schlepperbetrieb, gestellt wurden, um die ganzjährige Auslastung zu gewährleisten. Das Grundkonzept von Steinhaus für effektive Eisbrecher gilt aber nach wie vor und ist längst internationaler Standard. In seinem Buch Eisbrecher in Hamburg beschreibt Jens Bald die Geschichte und Nutzungskonzepte jedes dieser Schiffe in Zusammenhang mit der Entwicklung des Hamburger Eisbrecherwesens. Im letzten Kapitel schließlich präsentiert er die Hamburger Eisbrecher von der No. I von 1871 bis zur 2017 gebauten Hugo Lenz in Zahlen, Plänen und Bildern.

Jens Bald: Eisbrecher in Hamburg. Oceanum Verlag 2017. Hardcover 96 Seiten

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